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Stiftung Moritzburg - Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt


Friedemann-Bach-Pl. 5
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 21 25 90
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Öffnungszeiten:

Di 10.00-19.00 Uhr
Mi-So 10.00-18.00 Uhr

Wort wird Bild - Illustrationen der "Brücke"-Maler

05.02.2012 - 03.06.2012
Die Beschäftigung der »Brücke«-Maler mit literarischen Themen am Beginn des 20. Jahrhunderts fällt in eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Diese Aufbruchsstimmung schlug sich in zahllosen, meist kurzlebigen Zeitschriften nieder, auch die "Brücke"-Künstler waren an Herward Waldens "Sturm" und Franz Pfemferts "Aktion", den beiden herausragenden Publikationen jener Zeit, beteiligt. Der Expressionismus hat darüber hinaus eine Fülle von Illustrationen und graphischen Bildzyklen hervorgebracht, mit denen die Künstler Werke der Literatur illustrierten und deuteten, dabei mit ihren künstlerischen Mitteln experimentierten und so besonders die ausdrucksvolle Sprache des Holzschnitts wieder zu neuem Leben erweckten. Vielfach haben gerade die Künstler der "Brücke" in ihren Werken den konventionellen Begriff der Illustration erweitert und diese - in den besten Fällen - von der reinen Bebilderung zu einer ästhetischen Verschmelzung von Text und Bild geführt. Frühe Beispiele einer gelungenen Auseinandersetzung mit Text und Bild sind die im Jahr 1907 geschaffenen Lithographien Ernst Ludwig Kirchners zum Drama »Sakuntala« des Dichters Kalisada (ein indischer Klassiker aus dem 5. Jahrhundert) und Erich Heckels Holzschnitte zu Oscar Wildes »Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading«. Schon diese frühen Folgen belegen das Interesse der jungen »Brücke«-Maler an Literatur, das rasch zu persönlichen Begegnungen mit namhaften Schriftstellern der Zeit führte. Für diese Beziehungen stehen so eindrucksvolle Darstellungen wie das Bild "Lesende", ein Porträt der Dichterin Else Lasker-Schüler von Karl Schmidt-Rotluff aus dem Jahr 1912, und eine Zeichnung Kirchners, die seine Verbundenheit mit dem Schriftsteller Alfred Döblin dokumentiert (1914); beide befinden sich heute in der Sammlung von Hermann Gerlinger. Ernst Ludwig Kirchners Holzschnitte zu Adelbert von Chamissos Novelle "Peter Schlemihls wunderbare Geschichte" von 1915 gelten als Höhepunkte der expressionistischen Grafik, denn er legt die literarischen Vorlagen nicht im wörtlichen Sinn aus, sondern rückt die Erzählung in autobiografische Zusammenhänge und lässt die Werke ihre Wirkung im kompositorischen Spannungsverhältnis von Text und Bild entfalten. Ähnliches geschieht auch in Georg Heyms Gedichtband "Umbra vitae", dort schneidet Kirchner für die Ausgabe von 1923 den Text eines Gedichts ("Alle Landschaften haben sich mit Blau erfüllt") in Holz und kombiniert den Text mit der bildlichen Darstellung zu einem einzigen Holzschnittblatt. Auch hier ging es ihm nicht um das künstlerische Beiwerk zu einem literarischen Text, sondern um die Verbindung von Text und figürlicher Darstellung in einem eigenständigen Kunstwerk. Bei Kirchner lässt sich die Faszination für Literatur bis in die frühe Kindheit zurückverfolgen. Eine anrührende Entdeckung sind überraschend intensive Kinderzeichnungen zum "Struwwelpeter", die der noch nicht einmal 6-Jährige wohl nach den Erzählungen seiner Eltern und aus den erinnerten Bildern des Kinderbuchklassikers anfertigte. Auch Erich Heckel hatte seit seiner Schulzeit ein großes Interesse an der Literatur. Schon 1907 entstand mit den erwähnten Holzschnitten zu Oscar Wilde einer der bedeutendsten Illustrationszyklen des deutschen Expressionismus, bald darauf wandte sich Heckel der russischen Literatur zu und ließ sich insbesondere von Dostojewski zu eindringlichen Werken inspirieren. Sogar der literarisch eher desinteressierte Max Pechstein hat etliche Illustrationen und Entwürfe für Bucheinbände geschaffen, die sich allerdings eher an den gebräuchlichen Darstellungsweisen literarischer Themen orientierten. Das Thema "Illustrationen der Brücke-Maler" wurde bislang lediglich in Einzeldarstellungen erörtert oder war in größere thematische Zusammenhänge eingebunden. Eine gemeinsame und vergleichende Betrachtung dieser Illustrationen, bei der sowohl Berührungspunkte, aber auch individuelle Eigenheiten der Brücke-Künstler deutlich werden, hat es bislang noch nicht gegeben. Aufgrund der Fülle des Materials konzentriert sich die Ausstellung auf Arbeiten, die als Illustrationen zu literarischen Werken geschaffen wurden oder aus der unmittelbaren Reaktion auf die Auseinandersetzung mit Literatur entstanden sind. Die Ausstellung mit Werken der Sammlung Hermann Gerlinger, die durch bedeutende Leihgaben aus der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, dem Brücke Museum Berlin und dem Kirchner Museum Davos ergänzt werden konnte, zeigt über 80 Holzschnitte, Lithographien und Radierungen von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein.

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