Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Kunsthalle Düsseldorf

Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies

Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211 89 962 40
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Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

Yin Xiuzhen

15.12.2012 - 10.03.2013

Die Kunst­hal­le Düs­sel­dorf wid­met dem Werk der chi­ne­si­schen Künst­le­rin YIN Xi­uzhen (*1963 in Pe­king, lebt und ar­bei­tet dort), die als ei­ne der wich­tigs­ten Künst­le­rin­nen Chi­nas gilt, in Zu­sam­men­ar­beit mit dem Gro­nin­ger Mu­se­um die ers­te gro­ße Ein­zel­aus­stel­lung in Eu­ro­pa. Da­bei wird ein um­fas­sen­der Über­blick über ihr künst­le­ri­sches Schaf­fen ge­ge­ben.
Die Aus­stel­lung be­ginnt mit Yins frü­hen In­stal­la­tio­nen, die oft­mals in men­schen­lee­ren, un­be­rühr­ten Land­schaf­ten prä­sen­tiert wur­den und heu­te nur noch in Form fo­to­gra­fi­scher Do­ku­men­ta­ti­on exis­tie­ren. Den Schwer­punkt bil­den al­ler­dings die raum­grei­fen­den In­stal­la­tio­nen so­wie die mo­nu­men­ta­len, be­geh­ba­ren Tex­til­skulp­tu­ren der letz­ten Jah­re, die ei­nen Wen­de­punkt in Yins Schaf­fen mar­kie­ren.
Yins Ar­bei­ten aus den 1990er Jah­ren wie „Wa­shing Ri­ver“ (1995) sind stark po­li­tisch mo­ti­viert, wenn die Fol­gen von In­dus­trie und Tech­nik für die Na­tur und den Men­schen the­ma­ti­siert wer­den: Fo­to­gra­fisch do­ku­men­tiert ist ei­ne Per­for­mance von chi­ne­si­schen Bür­gern, die dre­cki­ges Was­ser, das zu ei­nem recht­ecki­gen Eis­block ge­fro­ren ist, so lan­ge mit Schwäm­men „ab­wa­schen“, bis das Eis ge­schmol­zen ist. An­de­re Fo­to­gra­fi­en wie „The Tree of Par­ting“ (1994) wei­sen auf­grund des Mo­tivs und des­sen Bild­kom­po­si­ti­on ei­ne ei­ge­ne, re­du­zier­te Äs­the­tik auf, die sie als ei­gen­stän­di­ge Wer­ke er­schei­nen lässt, auch wenn sie so nie ge­dacht wa­ren.
Seit En­de der 1990er Jah­re schafft Yin aus al­ten Klei­dern, Schu­hen, Mö­beln und ein­fa­chen Bau­ma­te­ria­li­en wie Ze­ment und Stein gro­ße skulp­tu­ra­le und in­stal­la­ti­ve Wer­ke, häu­fig im öf­fent­li­chen Raum. Ab 2000 ist schließ­lich ei­ne mar­kan­te Wen­de in Yins Werk er­kenn­bar: Se­cond­hand-Klei­der wer­den zur Fund­gru­be für ih­re Ide­en und fol­gen­den Wer­ke, die häu­fig um mo­derns­te Tech­nik und ur­ba­nes Wachs­tum krei­sen. In­dem die Künst­le­rin Flug­zeu­ge, Au­tos und High­ways als Mo­ti­ve für ih­re gro­ßen Skulp­tu­ren wählt, macht sie auf die schein­bar gren­zen­lo­se Mo­bi­li­tät und Schnell­le­big­keit un­se­rer glo­ba­li­sier­ten Ge­gen­wart auf­merk­sam. Gleich­zei­tig ver­wei­sen Yins Wer­ke durch ih­ren De­tail­reich­tum und die Of­fen­le­gung der an­ein­an­der ge­setz­ten Ein­zel­tei­le, wie ver­schweiß­te und ver­schraub­te Me­tall­plat­ten oder zu­sam­men­ge­näh­te Tex­til­stü­cke, auf das künst­le­ri­sche Hand­werk selbst, das Kön­nen, Ge­duld und vor al­lem Zeit er­for­dert.
Die raum­grei­fen­den Ar­bei­ten wie „Collec­tive Sub­con­scious (blue)“ (2007) oder „En­gi­ne“ (2008) ste­hen für die­se Dop­pel­bö­dig­keit ih­rer In­stal­la­tio­nen: Zum ei­nen sind es die Reiz­über­flu­tung und der schnel­le Rhyth­mus des groß­städ­ti­schen All­tags, der das kol­lek­ti­ve Un­ter­be­wusst­sein so­wie das Herz, den „Mo­tor“ des In­di­vi­du­ums prägt; zum an­de­ren for­dern ge­ra­de die­se Ar­bei­ten den Be­trach­ter her­aus, sich Zeit zu neh­men, im Au­to Platz zu neh­men und der Mu­sik zu lau­schen, die die In­stal­la­ti­on be­glei­tet.
Da­mit wird der Be­su­cher zu ei­nem zen­tra­len Teil der In­stal­la­tio­nen, in­dem er mit per­sön­li­chen Er­in­ne­run­gen der Künst­le­rin so­wie mit kol­lek­ti­ven Er­in­ne­rungs­land­schaf­ten, die zwi­schen dem Be­kann­ten, Lo­ka­len und Glo­ba­len an­ge­sie­delt sind, kon­fron­tiert wird. Die Kof­fer­se­rie „Por­ta­ble Ci­ties“ (2000-2012) bei­spiels­wei­se geht zu­rück auf Yins Rei­sen, auf de­nen sie al­te Klei­dungs­stü­cke der Be­woh­ner der Stadt sam­mel­te, die sie ge­ra­de be­such­te, um die­se spä­ter zu ei­ner Stadt­land­schaft – ori­en­tiert an dem je­wei­li­gen Stadt­plan – in ei­nem Kof­fer zu­sam­men­zu­fli­cken. So the­ma­ti­siert sie ih­re ei­ge­nen Er­fah­run­gen in ei­ner glo­ba­li­sier­ten Welt, in der „Hei­mat“ neu zu den­ken ist; dar­über hin­aus rü­cken wei­ter­ge­hen­de Fra­ge­stel­lun­gen zur Kon­struk­ti­on von Ge­schich­te und Er­in­ne­rung so­wie zum in­di­vi­du­el­len Le­ben im groß­städ­ti­schen All­tag in den Fo­kus.
Trotz der poe­ti­schen For­men­spra­che las­sen sich die Ar­bei­ten auch als kri­ti­scher Kom­men­tar le­sen, der die Sehn­süch­te und Ängs­te des In­di­vi­du­ums in ei­ner glo­ba­len, auf Mo­bi­li­tät und Ef­fi­zi­enz aus­ge­rich­te­ten Welt hin­ter­fragt. Ge­ra­de in Asi­en wach­sen die Städ­te enorm und ra­sant, im be­völ­ke­rungs­reichs­ten Land der Er­de spricht man von Hoch­ge­schwin­dig­keits­ur­ba­ni­sie­rung, und Pe­king hat mitt­ler­wei­le über 16 Mio. Ein­woh­ner. Nicht zu­letzt ver­weist Yin auf Chi­nas be­deu­ten­de Rol­le als do­mi­nie­ren­der Tex­til­pro­du­zent für den Welt­markt und da­mit ver­bun­de­ne Ar­beits­be­din­gun­gen in der Tex­til­in­dus­trie, wenn sie den tech­ni­schen Grö­ßen­wahn und des­sen Mas­sen­pro­duk­ti­on durch in­di­vi­du­el­le Hand­ar­beit an rie­si­gen Tex­til­in­stal­la­tio­nen ad ab­sur­dum führt. YIN Xi­uzhen hat­te be­reits viel be­ach­te­te Auf­trit­te, wie auf der Bi­en­na­le Ve­ne­dig 2007 und im Pro­jekt­raum des Mu­se­um of Mo­dern Art New York 2010.

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