Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Kunsthalle Düsseldorf

Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
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Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies
Kunsthalle, Foto: Achim Kukulies

Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211 89 962 40
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Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

Leben mit Pop. Eine Reproduktion des kapitalistischen Realismus

21.07.2013 - 29.09.2013

Für Spät­som­mer 2013 plant die Kunst­hal­le Düs­sel­dorf ein gro­ßes Aus­stel­lungs­pro­jekt zum Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus. Ger­hard Rich­ter, Kon­rad Lueg, Sig­mar Pol­ke und Man­fred Kutt­ner präg­ten die­sen Be­griff an­läss­lich ih­rer selbst or­ga­ni­sier­ten Aus­stel­lung in ei­nem leer­ste­hen­den La­den­lo­kal in der Kai­ser­stra­ße 31a in Düs­sel­dorf An­fang 1963. Ob­wohl sie selbst ihn nur kur­ze Zeit ver­wen­de­ten und sich von der Wahr­neh­mung als Künst­ler­grup­pe schnell dis­tan­zier­ten, re­prä­sen­tiert der Ka­pi­ta­lis­ti­sche Rea­lis­mus ei­ne spe­zi­fi­sche Kunst­auf­fas­sung der west­deut­schen Nach­kriegs­zeit und wird bis heu­te kon­tro­vers dis­ku­tiert: Iro­nie? Ver­mark­tungs­stra­te­gie? Kunst­rich­tung? Ge­sell­schafts­kri­tik? War es Flu­xus? Was steckt hin­ter dem My­thos, der sich mit dem La­bel Ka­pi­ta­lis­ti­scher Rea­lis­mus ver­bin­det?
An­lass der Schau ist nicht nur das 50-jäh­ri­ge Ju­bi­lä­um der Ent­ste­hung des Be­griffs im Jahr 2013 son­dern vor al­lem die Tat­sa­che, dass die­sem wich­ti­gen Phä­no­men bis­lang noch kein um­fas­sen­des Aus­stel­lungs­pro­jekt ge­wid­met wur­de. Im Zen­trum steht die Ak­ti­on Le­ben mit Pop – De­mons­tra­ti­on für den Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus, die Ger­hard Rich­ter und Kon­rad Lueg 1963 im Mö­bel­haus Ber­ges in Düs­sel­dorf ver­an­stal­te­ten, aber auch die so­ge­nann­te Vor­gar­ten­aus­stel­lung in der Wup­per­ta­ler Ga­le­rie Par­nass und wei­te­re Ge­mein­schafts­ak­tio­nen und -aus­stel­lun­gen wie die Hom­mage an Schme­la, pol­ke/rich­ter in der Ga­le­rie h in Han­no­ver so­wie die von René Block or­ga­ni­sier­ten Aus­stel­lun­gen. Block, den die Mög­lich­kei­ten ei­ner neu­en künst­le­ri­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit der Rea­li­tät fas­zi­nier­ten, über­nahm mit Grün­dung sei­ner ers­ten Ga­le­rie in Ber­lin 1964 den Be­griff als ein leit­mo­ti­vi­sches Schlag­wort für sei­ne Ga­le­rie­ar­beit und po­li­ti­sier­te ihn da­mit auch vor dem Hin­ter­grund der deut­schen Tei­lung. Ei­ne wei­te­re Sek­ti­on wird dem maß­geb­li­chen Ein­fluss der Flu­xus-Be­we­gung im Rhein­land auf die Ak­tio­nen des Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus ge­wid­met sein.
Die Schau do­ku­men­tiert die his­to­ri­schen Ak­tio­nen und prä­sen­tiert sämt­li­che der da­mals ge­zeig­ten so­wie für den Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus re­le­van­ten Kunst­wer­ke in Form von Re­pro­duk­tio­nen. Der be­wuss­te Ver­zicht auf Ori­gi­na­le macht im Rah­men die­ser Aus­stel­lung in vie­ler­lei Hin­sicht Sinn. In der Pres­se­er­klä­rung zur Ak­ti­on in der Kai­ser­stra­ße er­klär­ten die Künst­ler selbst, dass Ma­le­rei ei­ne mo­ra­li­sche Hand­lung sei und es ih­nen nicht dar­um gin­ge, gu­te Bil­der zu ma­len. Ana­log zur ame­ri­ka­ni­schen Pop­art lehn­ten sie ei­ne me­ta­pho­ri­sche und ex­pres­si­ve Aus­drucks­wei­se ab. Statt­des­sen wand­ten sie sich dem Tri­via­len ih­rer di­rek­ten Um­ge­bung zu und do­ku­men­tier­ten da­mit gleich­sam ein Stück Zeit­ge­schich­te: Das Wirt­schafts­wun­der und die da­mit ver­bun­de­nen Kon­sum­gü­ter, pri­va­te und po­li­ti­sche Por­träts, klein­bür­ger­li­ches Woh­nen, Fe­ri­en­zie­le und Wett­kampf etc. sind nur ei­ni­ge der The­men, die die spe­zi­fi­sche Iko­no­gra­phie des Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus aus­ma­chen. Da­bei ist für die Wer­ke von Rich­ter, Pol­ke und Lueg ver­bin­dend, dass sie nicht die Ob­jek­te und Su­jets selbst dar­stel­len, son­dern Re­pro­duk­tio­nen die­ser, bei­spiels­wei­se aus Zei­tun­gen, Ma­ga­zi­nen etc. und dies auch durch die Wahl ih­rer Tech­ni­ken und Bild­aus­schnit­te kennt­lich ma­chen.
Das Ver­hält­nis der Künst­ler zu dem von ih­nen ge­präg­ten Be­griff des Ka­pi­ta­lis­ti­schen Rea­lis­mus war of­fen­sicht­lich am­bi­va­lent. Ei­ner­seits ver­deut­lich­ten sie da­durch ei­ne kri­tisch-re­flek­tier­te Sicht auf die ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se, an­de­rer­seits mach­ten sie sich ka­pi­ta­lis­ti­sche Markt­stra­te­gi­en durch das Auf­bau­en ei­nes ei­ge­nen Ima­ges und das For­cie­ren ih­res Markt­wer­tes selbst ge­konnt zu Nut­ze. Auf der Ein­la­dungs­kar­te zur Ak­ti­on im Mö­bel­haus Ber­ges bei­spiels­wei­se las­sen sich die Kunst­rich­tun­gen wie ei­ne An­ein­an­der­rei­hung von La­bels le­sen, die der Po­si­tio­nie­rung und Ver­mark­tung die­nen. Mit ei­nem Fra­ge­zei­chen ver­se­hen, stel­len die Künst­ler de­ren Be­deu­tung gleich­wohl in Fra­ge und ver­wei­sen mit ei­nem il­lu­si­ons­lo­sen Zwin­kern auf den Kunst­markt und Drang – Ka­pi­ta­lis­ti­scher Rea­lis­mus – Neu­es schaf­fen zu müs­sen. Dass die Haupt­ak­tio­nen in La­den­lo­ka­len oder Ge­schäf­ten statt­fan­den, wird auch die Aus­stel­lungs­ar­chi­tek­tur re­flek­tie­ren, die von den Ber­li­ner Ar­chi­tek­ten Kühn Mal­vez­zi rea­li­siert wird. So wird die Schau das kur­ze aber weg­wei­sen­de Phä­no­men nicht nur in sei­ner his­to­ri­schen Be­deu­tung auf­ar­bei­ten, son­dern auch mit­tels ih­res ei­ge­nen For­mats so­wie durch die Zu­sam­men­ar­beit mit Chris­to­pher Wil­liams ak­tua­li­sie­ren. Die Ar­beit mit Re­pro­duk­tio­nen ver­mit­telt in die­sem Rah­men ei­ner­seits ein bes­se­res Ver­ständ­nis vom da­ma­li­gen An­lie­gen der Künst­ler, in­dem sie ei­ne durch die Au­ra des Ein­zel­werks be­ein­fluss­te Re­zep­ti­on des Wer­kes gar nicht erst zu­lässt. An­de­rer­seits er­mög­licht sie ei­nen völ­lig un­ab­hän­gi­gen Um­gang mit den Ex­po­na­ten und ei­nen neu­en Blick auf das Früh­werk der Prot­ago­nis­ten, die ein­mal un­ter ganz an­de­ren Vor­zei­chen be­gon­nen ha­ben, als sie in ih­rem spä­te­ren Schaf­fen zu se­hen sind.

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