Haus der Photographie - Deichtorhallen, Foto: Foto: Conny Hilker
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Haus der Photographie - Deichtorhallen - Aktuelle Kunst

Foto: Haus der Photographie - Deichtorhallen
Foto: Haus der Photographie - Deichtorhallen
Haus der Photographie - Deichtorhallen, Foto: Foto: Conny Hilker
Haus der Photographie - Deichtorhallen, Foto: Foto: Conny Hilker

Deichtorstr. 1-2
20095 Hamburg
Tel.: 040 321030
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

The day will come when man falls

18.06.2015 - 06.09.2015

In seinen Fotografien, Inszenierungen und Installationen setzt sich der 1968 in London geborene, heute in New York arbeitende Fotograf Phillip Toledano mit gesellschaftspolitisch relevanten Fragen auseinander. Seine Bildserien umkreisen dabei das Thema "Zukunft" und "Individualität" aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und korrespondieren so mit dem von Krzyztof Candrowicz entworfenen Leitthema der VI. Triennale der Photographie in Hamburg, das auf dem Bibelzitat "The Day Will Come" (Jeremiah 31:31-34) basiert.
Phillip Toledano beschäftigt sich mit Sujets, die oft weiträumig umschifft, verdrängt oder gar gänzlich ausgeblendet werden: Alter und Abschied, verschüttete Erinnerungen, die Fragwürdigkeit medizinisch-technischen Fortschritts, gesellschaftliche Isolation – in sorgfältig und hoch artifiziell inszenierten fotografischen Bildserien präsentiert Toledano Themen, die herausfordern und konfrontieren.
Seine Arbeiten wirken provokativ, weil sie die Idiome einer sich durch den stetigen Zuwachs narzisstischer Tendenzen auszeichnenden westlichen Welt begreifen und die damit verbundenen Selbst-Definitionen wie Erfolg, Macht, Jugendlichkeit, Schönheit und Konsum nicht nur wirkungsvoll durchkreuzen, sondern in unbarmherziger Schärfe abbilden und innerhalb von Sekundenbruchteilen scheinbar direkt erfahrbar machen. Basierend auf persönlichen Erfahrungen bohrt Toledano den Finger tief in die eigene Wunde und konzentriert sich in seinen fotografischen Inszenierungen ernsthaft, genauso aber auch selbstironisch und spielerisch auf die Auseinandersetzung mit jenen existentiellen Ängsten, die vor der Folie des Unfasslichen entstehen, was möglicherweise sein könnte.
In prägnanten, sehr emotionalen, aber niemals kitschigen Fotografien begleitet Toledano in seiner Serie "Days With My Father" (2006-2009) seinen an Demenz erkrankten Vater über dessen letzte drei Lebensjahre. Dabei entstehen manchmal traurige, oft lustige aber immer liebevoll-empathische Beobachtungen. Tagebuchartig inszeniert und empathisch kommentiert Toledano ihr gemeinsames Leben, wobei immer wieder Aspekte der einstmals vitalen, ehrgeizigen und attraktiven Persönlichkeit im nun pflegebedürftigen und hilflosen Vater aufscheinen.
Toledanos großformatige, altmeisterlich arrangierte Portraits von Personen, die diverse Schönheitsoperationen hinter sich gebracht haben, changieren zwischen den Polen Künstlichkeit und Menschlichkeit. Bei der Serie "New Kind of Beauty" (2008-2010) stellen sich verschiedenste Fragen. Wie sehen Schönheitsideal heute aus? Wo liegen die Vorbilder? Was sagen Toledanos Werke über das zeitgenössische Selbstverständnis des Menschen aus? Vor dunklem Hintergrund drapiert schauen sie ruhig, geduldig und würdevoll aus ihren Fotografien hervor. Lichtführung und Farbreduktion verleihen ihnen den Charakter steinerner Skulpturen. Isoliert wie Insekten unter Acryl geben sie sich genauer Betrachtung preis – zeitlos, für die Ewigkeit geschaffen.
Für die Serie "Phonesex" (2008-2009) nahm Toledano rund 30 Telefonsex-Operateure in ihren Wohnungen - an ihren Arbeitsplätzen - auf. Die begleitenden Interviewsequenzen geben erstaunliche Einblicke in ihr Selbstverständnis und ihre Kreativität im Umgang mit ihren Kunden und ihrer Arbeit.
Auf die intensiven Erlebnisse mit seinem Vater, die er in der Serie "Days with May Father" (2006-2009) festhielt, reagierte Toledano mit großer Nachdenklichkeit hinsichtlich seiner eigenen Zukunft: Wie wird er sich in dreißig oder vierzig Jahren körperlich verändert haben? An welchen Alterserscheinungen wird er leiden? Welchen Platz wird er in der Gesellschaft einnehmen? Das noch im Prozess der Entstehung befindliche Projekt "Maybe" (2011-2015) setzt sich mit der eigenen Sterblichkeit und Physis des Künstlers auseinander, indem er sich dazu in verschiedenen Rollen selbst inszeniert.
Auf der Basis von DNA-Tests und Interviews mit Psychologen und Wahrsagern hinsichtlich möglicher Zukunftsperspektiven erarbeitete Toledano mittels eines Teams von Maskenbildnern und Schauspielunterricht aufwendige fotografische Szenarien und kurze Filmsequenzen, in denen er sich selbst in unterschiedlichste Lebensstadien und -situationen versetzt.
Die Rollen, in denen man Toledano wiederfindet, reichen vom übergewichtigen Geschäftsmann über einen ergrauten Angestellten, einem Partygast der High Society bis hin zu einem Obdachlosen oder einem wohlsituierten Herrn, der mit seinem Chihuahua einsam zu Abend isst. Die Arbeiten aus der Serie werden erstmalig als umfangreiches Projekt im Haus der Photographie in den Deichtorhallen im Rahmen der Triennale der Photographie Hamburg gezeigt.
Biografische Bezüge weist auch die Arbeit "When I was Six" (2013-2015) auf. Der Wechsel zwischen geheimnisvoll ausgeleuchteten, wie Preziosen inszenierten Objekten und künstlich gestalteten Landschaften erklärt sich durch die eingestreuten Textpassagen: Toledano stellt sich aus der Perspektive des Erwachsenen den verschütteten Erinnerungen, denen er als Sechsjähriger durch seine Flucht in andere Welten zu entgehen versuchte. In der fotografischen Auseinandersetzung überführt er den Verlust seiner Schwester Claudia, die als blinder Fleck seine Kindheit und Teile seines erwachsenen Lebens durchsetzte, in eine zukünftig fass- und handhabbare Dimension.
Schon in seiner Jugend träumte Phillip Toledano davon Künstler zu werden, wie sein Vater und fing mit 12 Jahren an zu fotografieren. Erst war er in der Werbeindustrie tätig, bis er sich 2002 vollkommen für die Kunst entschied und Fotograf wurde. Seit 2003 ist er kontinuierlich in Einzel- sowie in Gruppenausstellungen zu sehen und nimmt an verschiedenen Festivals teil. Über Phillip Toledano und seine Arbeit wurde aktuell ein Dokumentarfilm gedreht, der auf dem Tribeca Filmfestival Premiere hatte.

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