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Museum für Photographie


Helmstedter Str. 1
38102 Braunschweig
Tel.: 0531 7 50 00
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-Fr So 13.00-18.00 Uhr
Sa, So 11.00-18.00 Uhr

Jason Larkin: Past Perfect

15.04.2016 - 19.06.2016

In seiner Arbeit "Past Perfect" hinterfragt der britische Fotograf Jason Larkin das Museum als Ort der Archivierung, als Aufbewahrungs- und Speicherort materialisierter Erinnerungen und Ereignisse. In seiner mehrteiligen Arbeit untersucht Larkin hierbei in einer institutionskritischen fotografischen Herangehensweise die Repräsentationsformen geschichtlicher Museen. Die Art und Weise, wie die Vergangenheit in der Auswahl, Präsentation und Einbindung in ein rahmendes Narrativ "konserviert" und ausgestellt wird, bestimmt hierbei, wie Geschichte erinnert wird und trägt zugleich in erheblichem Maße zur Konstruktion von Interpretationen, Sichtweisen und Ideologien bei. Larkins fotografische Tableaus nehmen eine visuelle Analyse musealer Präsentationsformen vor und schärfen den Blick des Betrachters für diese Inszenierungen. In seiner ersten musealen Einzelausstellung in Europa zeigt das Museum für Photographie Braunschweig hierbei das Ägypten-Kapitel von "Past Perfect", sowie die erstmalig präsentierten, eigens für die Ausstellung angefertigten Aufnahmen aus Israel und Großbritannien.
Für Larkins Untersuchung der Konstruktion nationaler Identität bietet Ägypten mit seiner tausendjährigen Geschichte und seinen verschiedenen politischen Systemen ein überaus prägnantes Fallbeispiel. Die Museen des Landes sind mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, nicht nur die abwechslungsreiche Historie Ägyptens und seine frühzeitliche Bedeutung darzustellen, sondern auch die Ereignisse der jüngeren Zeitgeschichte – wie die Ereignisse des Arabischen Frühlings – in ein Narrativ der Identität des Landes mit all seinen Brüchen und Kontinuitäten einzubinden. Dabei vermarkten archäologische Freiluft-Museen Ägyptens die Zeit der Pharaonen und nehmen dabei oftmals eine tourismusstärkende Glorifizierung der Sichtweise dieser Epoche vor, während es immer noch problematisch scheint, die Kolonialzeit Ägyptens unter der Britischen Krone angemessen zu behandeln. Ägyptens unterschiedliche historische Staatsformen und seine komplexe Geschichte spiegeln sich hierbei in den divergenten musealen Inszenierungen des Landes wider.
Das Israel-Kapitel der Arbeit behandelt die Frage, welche Aspekte nationaler Identität von den Museumsmachern als erinnerungswürdig eingestuft werden. Gerade in den umstrittenen israelischen Siedlungsgebieten und den Palästinensergebieten gibt es eine hohe Anzahl kleiner Privatmuseen, in denen verhandelt wird, wem das Land rechtmäßig gehört. Die museale Darstellung spiegelt dabei keine "offizielle", d.h. kanonisierte Geschichtsschreibung wider, sondern hält die individuelle politische Sicht und die Erinnerung der Initiatoren dieser „Museen“ fest. Oftmals werden hierbei mündlich überlieferte Ereignisse inszenatorisch nachgestellt, "oral history" in mediengestützte Erlebnisarchitekturen übersetzt.
Das Großbritannien-Kapitel von "Past Perfect" wiederum befragt die vielfältigen musealen Präsentationen der Geburtsnation des Museums, die von der Kolonialgeschichte, über ethnologische Sammlungen bis hin zu naturhistorischen Kunst- und Wunderkammern reichen, die aber auch die Geschichte der ehemaligen militärischen Stärke des britischen Empires schreiben.
Larkins konzeptionelle Fotografie verdichtet Ausstellungsdesign und Ausstellungsdisplay zu symbolischen Sinnbildern. Die ästhetische Anmutung seiner Bildtableaus erinnert hierbei zunächst an die Ästhetik Candida Höfers. Während Candida Höfers kontemplative Aufnahmen von Bibliotheken als Bildungsschatz der Menschheit diese als die Zeit überdauernd vorstellt, erörtert Larkins Serie jedoch die aktive, formierende Arbeit des Museums und seiner Kuratoren, die Orientierungspfade in einem Universum materialisierter Informationen ausweisen. Larkins Arbeit leuchtet die unterschwellige Lenkung des Betrachters durch die Arbeit der Museen und ihre inszenatorische Setzungen aus. Seine fotografischen Tableaus regen den Betrachter zur Reflexion an, wie Geschichte geschrieben und erinnert wird.
Jason Larkin wurde 1979 geboren und erwarb 2007 seinen MA. Für seine Arbeit zog er 2007 nach Ägypten, seit 2010 lebt er in Johannesburg und Großbritannien. 2014 wurde er vom Pulitzer Center on Crisis Reporting ausgezeichnet. Seine Arbeit wurde in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt wie Brighton Photography Biennial (UK, 2014), Unseen Festival (Amsterdam, NL, 2014), Shanghai Art Fair (CHN, 2014), Flowers Gallery (NYC, USA, 2014), Total Arts Gallery (Dubai, VAE, 2013), Commune.1 Gallery (Kapstadt, SA, 2013) und Einzelausstellungen wie in der Flowers Gallery (London, UK, 2014), Edition Gallery (Johannesburg, SA, 2013), Hereford Photography Festival (UK, 2011), Farnsworth Art Museum (Maine, USA, 2011) oder Brighton Photo Fringe (UK, 2009).

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