© andreas130 / www.fotolia.de
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Mori-Ogai-Gedenkstätte


Luisenstr. 39
10117 Berlin
Tel.: 030 282 60 97
Homepage

Öffnungszeiten:

Mo-Fr 10.00-14.00 Uhr

Bild · Pinsel · Schrift

20.03.2014 - 20.03.2015

Die Über-Setzung der Kulturen ist eines der Themen, zu denen an der Mori-Ôgai-Gedenkstätte Wissenschaftler, Literaten, Übersetzer und Künstler auf ein multikulturelles Publikum treffen. Eine besondere Spannung erhalten solche Begegnungen, wenn aus dem Gegensatzpaar Ost-West, durch gegenseitige Bezugnahme oder eine gelungene Synthese etwas gänzlich Neues entsteht, wie in den Texten von Yoko TAWADA oder den "deutschen" Pinselschriftbildern von Frank MERTEN, wenn die Auseinandersetzung zu etwas Eigenem mit Elementen des Anderen wird.
Merten begann 1985 in Rostock mit dem Aktzeichnen, widmete sich der Radiertechnik, der Lithographie und Ölmalerei, bevor er seit 2001 den »Weg der Pinsel-Schrift« einschlug, sich japanischer und chinesischer Kalligraphie zuwandte, die Kurse von Frau Suikô Shimon an der Mori-Ôgai-Gedenkstätte besuchte und Mitglied des Koreanischen Kalligraphie-Verbandes wurde, an dessen Wettbewerben er jährlich teilnimmt. Merten hat das kalligraphische Handwerk von Grund auf erlernt und verinnerlicht, schätzt das kreative Einswerden mit dem Augenblick im Prozess des Übens, das im Japanischen alles andere als ein freies Spiel mit dem Pinsel ist: Die Reihenfolge der Striche, aus denen ein Zeichen sich zusammensetzt, ist vorgegeben, unveränderlich. Abweichungen würden die Struktur zerstören. Die hohe Kunst: Bei strengem Reglement und ständigem Wiederholen die Variabilität der sino-japanischen Schrift ausloten, die Bild und Sinn gleichermaßen beherbergt.
Aus dem jahrelangen Nachahmen befreite Merten sich durch erste eigene abstrakte Kalligraphien, die schließlich in den Versuch mündeten, die Sprachbarriere zu überwinden und nun mit asiatischen Techniken Wortgruppen und Begriffe der eigenen Muttersprache als Sinn-Bild wiedererstehen zu lassen. Der Überraschungseffekt, dass das zunächst von weitem als abstraktes Gebilde Wahrgenommene eigentlich Buchstaben-Arabesken sind, lässt den Betrachter verdutzt innehalten. Das Bild, das er aktiv buchstabiert und dann im Kopf selbst wieder zusammensetzen und als Ganzes begreifen muss, hat etwas von einem Sprachrätsel. Die Kommunikation der Wort- und Bildebene gebiert eine dritte assoziative Dimension. So weckt die bildhafte Wiederentdeckung des ursprünglichen Wortsinns Erinnerungen an etwas, was wichtig war und vielleicht wieder sein wird, an etwas, wofür das geschriebene Wort nur die Hülle bildet. Mertens Tuschespuren kommen leicht, fast spielerisch daher, haben etwas Verführerisches, Humorvolles, gerade weil den klaren Fragen, den doppelbödigen oder allzu menschlichen Begriffen aus der eigenen Sprachheimat nicht die Fremdheit anhaftet, die den Zugang zur Bedeutungs-Ebene asiatischer Kalligraphien oft erschwert.

KULTURpur empfehlen