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KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Kunstraum Kreuzberg/Bethanien


Mariannenplatz 2
10997 Berlin
Tel.: 030 90 298 14 55
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Öffnungszeiten:

tägl. 12.00-19.00 Uhr

Sofia Bäcklund / Hans Kristian Borchgrevink Hansen / Alexei Kostroma / Vera Kox / Jenny Lindblom / Erez Israeli

22.08.2014 - 21.09.2014

SOFIA BÄCKLUND kreiert Serien bzw. Gruppen von Skulpturen, die Gegenstände aus unserem alltäglichen Umfeld gleichermaßen nachbilden wie abstrahieren. Ihre Arbeiten fokussieren das Zusammenspiel zwischen dem Individuum und der Gesellschaft, und die Rolle, die Materie in diesen Prozessen spielt. Ein wiederkehrendes Thema bei Bäcklund ist die Notwendigkeit des Vorhandenseins von Limits und Grenzen zur Schaffung von Bedeutung. Für die im Künstlerhaus Bethanien gezeigte Gruppe On (I mean come on) bringt Bäcklund massive und textile Materialien zusammen und kombiniert Unterkonstruktionen aus zusammengeschweißten Metallstangen, rohem Holz und grobem Papier mit speziell eingefärbten Stoffen, die die ‚Außenhaut' der Skulpturen bilden. Wichtig sind für sie dabei auch die verschiedenen Ausformungen eines Entstehungsprozesses und so kontrastiert sie den schnell ablaufenden, entscheidungsintensiven Prozess etwa des Schweißens in ein und derselben Arbeit mit dem eher Kontemplativen, Andauernden des Nähens. Die Höhe der Skulpturen orientiert sich an den menschlichen Maßen und stellt, ebenso wie die von Bäcklund getroffene Auswahl der Stofffarben – Nuancen von Haut- und Puder-Tönen – einen Verweis auf den menschlichen Körper dar. Die Formen verweisen andererseits auf Küchenutensilien, Badezuber, Pflanzen usw. Jede Skulptur konstituiert ihre eigene Plattform oder Szene. In ihren Arbeiten lotet Bäcklund die vielfältigen Beziehungen zwischen Mensch und Körper, gesellschaftlichem Umfeld und Geschichte aus. Sofia Bäcklund (*1983) ist Stipendiatin des International Artists' Studio Programme in Sweden (IASPIS). 
HANS KRISTIAN BORCHGREVINK HANSEN beschäftigt sich mit der künstlerischen Kartographierung spezifischer geografischer Areale und nutzt hierfür Fundmaterialien und filmische Dokumentationen kleiner Entdeckungen, die er auf den Straßen, in Parks, auf Flohmärkten usw. macht. Die alltäglichen Objekte (Haargummis, Büroklammern, Plastikteile) oder deren Bruchstücke, die der Künstler buchstäblich per Hand oder mithilfe der Kamera sammelt, fügen sich zu einem facettenreichen Bild der visuellen Unterströmungen der Stadt und erscheinen mit ihren oft undefinierbaren abstrakten Formen wie Miniaturen modernistischer Skulpturen. Hansen fügt diese Fund- und Bruchstücke zu kleinformatigen skulpturalen Objekten oder macht sie zu Protagonisten in den ebenso skurrilen wie humorvollen Animationsfilmen, die er mit einfachster Technik selbst anfertigt. Mit Life in the Undergrowth gibt Borchgrevink Hansen einen ebenso fantastischen und unterhaltsamen wie nachdenklichen Einblick in die urbanen Unterströmungen seines temporären Umfelds Berlin. Gezeigt werden großformatige Projektionen zweier neu entstandener Animationsfilme sowie eine wandfüllende Sammlung von kleinformatigen, aus Schnipseln, Bruch- und Fundstücken konstruierten Skulpturen, die der Künstler selbst als "Wunderkammer" charakterisiert. Hans Kristian Borchgrevink Hansen (*1985) ist Stipendiat des Office for Contemporary Art Norway (OCA).
ALEXEI KOSTROMA proklamierte zu Beginn der 1990er Jahre eine neue Richtung in der modernen Kunst – den so genannten "Organischen Weg", der seinen Anfang in der russischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts nimmt. Eben jener "Organische Weg", der die Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der belebten Natur erforscht, erlaubte es Kostroma, seine eigene Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Theorie und künstlerischer Praxis in der modernen Kunst zu begründen. In seinem Schaffen untersucht er stetig die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur und lässt seine so gewonnenen Erkenntnisse in das soziale Umfeld einfließen. Als Künstler arbeitet er parallel an mehreren Linien eines Themas; er thematisiert anhand von Naturerscheinungen innere menschliche Probleme sowie die Welt als Ganzes. In seiner aktuellen Bild-Serie mit dem Titel Anticipation thematisiert er im Stil des Bad Painting Wirtschaftskrise und Schuldenberge. Zu sehen ist eine malerische Weltreise in Zahlen – die ein Vertrauen in die Kunst, aber keinesfalls in die wolkigen Verlautbarungen der Wirtschaftsbosse und der politischen Klasse erkennen lässt. Kostroma gießt die Verbraucherstimmung in ein wildes, wütendes Szenario, in dem sich das Gespür der Menschen mit den frustrierenden Konjunkturdaten außerhalb Deutschlands deckt. Alexei Kostroma, geb.1962 in Russland, lebt und arbeitet in Berlin.
VERA KOX | Während zumeist das Statische bis Monumentale als Skulptur aufgefasst wird, fokussieren die skulpturalen Arbeiten von Vera Kox vielmehr das Flüchtige und Wandelbare, das Transitorische des Ausgangsmaterials. Es klebt, quillt hervor, knittert, faltet, beult aus und spielt analog einem Trompe-l'œil mit den kognitiven Mustern unserer Wahrnehmung. In allen Elementen von Kox' Arbeit ist die Gegenwart einer Dehnungsbelastung sicht- und spürbar, die häufig noch betont wird durch die unterschiedlichen Grade von Abnormität eines Objekts, und die als ein dem Material inhärentes Theorem der künstlerischen Arbeit zugrunde liegt. In ihrer Ausstellung Reassuring inertia im Künstlerhaus Bethanien werden Alltagsmaterialien in unwahrscheinlichen Deformationen porträtiert und lassen Spuren verhallter Gesten erkennen. Prozess und Möglichkeiten der Formlosigkeit sind Ausgangspunkt der Arbeiten und suggerieren eine phänomenologische Betrachtung dessen, was uns tagtäglich umgibt. Die Ausstellung wird von einem Text der schwedischen Künstlerin Liv Strand begleitet. Vera Kox (*1984) ist Stipendiatin des Ministère de la Culture de Luxembourg, Oeuvre National de la Grande-Duchesse Charlotte (stART-up), Fondation Indépendance, Fonds Culturel National.
JENNY LINDBLOM | Lindbloms künstlerische Praxis, die sich in erster Linie in Form von Gemälden und Skulpturen artikuliert, untersucht die Möglichkeiten und Grenzen von Darstellung, Ausdruck und Identität. Beeinflusst von den ästhetisierten Realitäten, die gleichermaßen von den Grundsätzen von Instagram und Kunstgeschichte begrenzt/ gefiltert werden, kann Lindbloms Bildmetaphorik als eine Konstellation eklektischer Reaktionen auf die zeitgenössiche Bildkultur beschrieben werden – sowohl in der Herangehensweise wie in der Ästhetik. Indem sie visuelle und konzeptuelle Elemente immer wieder in Form verschiedener Materialien und Formen im Rahmen ihrer Serien auftauchen lässt, setzt Lindblom einen intensiven Dialog zwischen den unterschiedlichen Werken in Gang. Die assoziativen ad hoc-Verbindungen, die sie aufzeigt, eröffnen einen Prozess, in dem die Lesart bestimmter Werke vom Betrachter immer wieder neu verhandelt werden kann. Fakten verschmelzen mit Fiktion, wenn Themen wie Gender und Klasse angesprochen und in fragmentierten "Kleinerzählungen' mit dem Streben nach "dem guten Leben" kontrastieren, oszillierend zwischen Ernsthaftigkeit und einem doppelbödigen Humor. Jenny Lindblom (*1981) in Schweden, lebt und arbeitet in Amsterdam; 2013 war sie Stipendiatin des Projektraums des Mondriaan Fonds im Künstlerhaus Bethanien. 
EREZ ISRAELI (Brandwandgestaltung) | Schwerpunktprojekt unseres Jubiläumsjahres ist neben dem Projekt "Das mechanische Corps" die künstlerische Gestaltung der Brandwand an der Kottbusser Str. 10, die am 21. August gemeinsam mit den vorher genannten Ausstellungen feierlich eröffnet werden wird. Als Ergebnis eines nichtoffenen Wettbewerbs wurde von den Fachpreisrichtern Ellen Blumenstein, Hans Hemmert, Karin Kasböck, Doreet LeVitte Harten und Sven Drühl ein Entwurf des israelischen Künstlers EREZ ISRAELI zur Realisierung empfohlen. Israelis Idee kreist um das Thema Erinnerung und Gedenken im jüdisch-deutschen Kontext, lässt die Erinnerungskomponente allerdings nicht mit den bei diesem Thema üblichen Mitteln präsent werden, sondern vermeidet Pathos, indem etwa Tendenzen der Street Art integriert werden. Mit Israelis Wandmalaktion wird dem Gebäude sein Name wiedergegeben. Im Zuge antijüdischer Maßnahmen hatten die Nazis die Namen bekannter jüdischer Geschäfte von den Häuserfronten entfernt. Nach den Namen jüdischer Geschäftsgründer verschwanden die Juden selbst. Hierauf fußt das gedankliche Konzept von Erez Israelis überzeugendem künstlerischen Entwurf. Eine Videodokumentation von Erez Israeli wird die Entstehung des Wandbildes nachvollziehbar machen.

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