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Kunsthalle Darmstadt


Steubenplatz 1
64293 Darmstadt
Tel.: 06151 89 11 84
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Öffnungszeiten:

Di-Fr 11.00-18.00 Uhr
Sa, So 11.00-17.00 Uhr

Strawalde: als ob Bilder bis heute

02.10.2007 - 13.01.2008
Vom 2.10. bis 13.1.2008 zeigt die Kunsthalle Darmstadt Werke des Künstlers Strawalde, der den Kunstpreis der Stadt Darmstadt im Jahre 1992 erhielt. Zu sehen sind etwa 60 Arbeiten (Gemälde, Zeichnungen, Collagen) von 1960 bis heute. Das Rahmenprogramm der Ausstellung ist u.a. den bekannten Filmen Strawaldes gewidmet. In seinen Gemälden und Collagen entwickelt Strawalde aus freien „Schnörkeln“ und „Schlaufen“ ornamentale Weltformeln, die die Gestalt von ‚freienÂ’ Visionen, Landschaften oder Bildnissen annehmen können. Strawaldes kalligraphische Kürzel sind gleichermaßen eigendynamische Linie wie Abbild. Vergleichen läßt sich Strawaldes universelle Sprache der „Ornamente“ und Rocailles u.a. mit Markus Lüpertz' in den sechziger Jahren entwickelten "Dithyramben“ als Zeichen des Kosmos und jeder lebendigen Kunst. Wegen seiner abstrahierten, schematisierten, in sich „kreisenden“ Bildsprache galt Strawalde im offiziellen Kulturbetrieb der DDR – ähnlich wie später beispielsweise Eberhard Göschel - als ästhetizistischer Ignorant gegenüber der Doktrin des Sozialistischen Realismus. 1961 erfolgte der Ausschluß aus dem Verband Bildender Künstler Deutschlands. Nach einem zusätzlichen Studium der Filmregie wurde Strawalde ab den sechziger Jahren zu einem der bekanntesten Dokumentarfilmer der DDR. Anders als in seinen Gemälden widmete er sich zunächst in „realistischer“ Weise den Themen „Alltag“ und „Arbeiter“ In seinem bildnerischen Werk setzt Strawalde bis heute eine Mischung von Gattungen und Materialien ein, verbindet Collage, Zeichnung, Malerei und Fotografie. Dabei benutzt er oft „Bilder-im-Bild“, oder „Collagen in der Collage“, um verschiedene Ebenen von Zeichen und Wirklichkeit ineinanderzublenden. Überlagerungen in wörtlichem Sinne erzeugt er, wenn er Abbildungen von Gemälden, Fotografien oder Bücher überzeichnet, mit ‚TagsÂ’ nach Art eines endlosen Graffity überzieht. Auf diese Weise proklamiert er eine freie künstlerische Ordnung der Dinge nach lebendigen, ornamentalen Regeln und materialisiert gleichzeitig seinen eigenen individuellen künstlerischen Blick auf „Vorlagen“, legt seine Systematik von Wahrnehmung und Abbildung offen. Die zwischen abstrakt und gegenständlich changierenden Schnörkel, Strudel und Verflechtungen werden in wörtlicher Weise zu einer persönlichen Handschrift. Diese Schrift stellt die Welt durch Zeichen dar und ist gleichzeitig ein nur für sich stehender lebendiger Körper dynamisch geschwungener, organischer Linien. Seine ornamental durchgearbeiteten Bilder widmet Strawalde genauso allgemeingültigen existentiellen Fragen wie konkreten politischen Geschehnissen. So stehen Darstellungen wie das philosophische „Zeitbild“ von 1990 mit seinen rätselhaften Verschachtelungen von Räumen und Zeichen neben Gemälden wie „Frühlingsanfang 2003 (Bagdad)“, die auf die Politik anspielen, etwa verschlungene dunkle Linienbündel zu Vorzeichen drohender kriegerischer Auseinandersetzungen werden lassen. In diesem Sinne hat Strawalde zu einer Universalsprache gefunden, die sich nicht nur der Systematik von „abstrakt“ und „gegenständlich“ entzieht, sondern auch vollkommen frei zwischen „ästhetizistischen“ und „engagierten“ Positionen souverän wechselt. Vita Strawalde wird 1931 als Jürgen Böttcher in Frankenberg / Sachsen geboren. Kindheit und Jugend verbringt Böttcher in Strawalde in der Oberlausitz. Nach diesem Ort wird der Künstler sich benennen. 1949 – 1953 studiert Strawalde an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden, u.a. bei Wilhelm Lachnit. Er gerät in Widerspruch zur Doktrin des Sozialistischen Realismus. 1953 – 1955 erteilt er Mal- und Zeichenkurse. Unter seinen Schülern befindet sich Ralf Winkler, der als A.R. Penck bekannt werden sollte. 1955 – 1960 studiert Strawalde Filmregie an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg. Er betrachtet den Film als Medium, „soziale und politische Wirklichkeiten“ abzubilden. In den frühen sechziger Jahren ist er als Regisseur im Dokumentarfilmstudio der DEFA in Berlin tätig. Seine Malerei findet im offiziellen Kulturbetrieb der DDR keine Anerkennung. Ihm wird Ästhetizismus“ zur Last gelegt. 1961 wird Strawalde aus dem Verband Bildender Künstler Deutschlands ausgeschlossen. 1962 widmet er sich in seinen Filmen „gewöhnlichen“, körperlich arbeitenden Menschen, vom Ofenbauer bis zur Küchenfrau, von Rangierer bis zur Wäscherin. Beim Internationalen Dokumentarfilmfestival in Leipzig 1962 erhält er die „Silberne Traube“. 1965 wiederum fällt wird Strawal­des Spielfilm „Jahrgang 45“ der SED-Zensur zum Opfer. 1978 findet die erste umfassende Strawalde-Ausstellung mit Gemälden und Zeichnungen in Dresden, Karl-Marx-Stadt und Berlin statt. Gleichzeitig beschert ihm sein Film „Martha“ zum Leben einer Trümmerfrau großen Erfolg. 1982 erwirbt die Nationalgalerie Berlin (DDR) ein Gemälde Strawaldes. Im selben Jahr beteiligt sich Strawalde an einem ausstellungsprojekt in Dresden zum Thema Manet. 1989 wird Strawalde zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin (West) gewählt und zu Gastvorlesungen nach Hamburg ein­geladen. 1990 ist er an Ausstellungsprojekten in Toulouse beteiligt, gleichfalls am berühmten DDR-Kunstfestival in Paris, das der „alternativen“ Kultur des geanderen Deutschland“ gewidmet ist. Hier führt er u.a. großformatige MalAktionen durch. Ab 1991 ist Strawalde Gastprofessor an der Sommerakademie Salzburg. 1992 erhält er den Darmstädter Kunstpreis und das „Filmband in Gold“ für sein FilmWerk. 1997 wird ihm der Kunstpreis der Sächsischen Landeshauptstadt Dresden zugesprochen, 1998 der Kunstpreis „Aus gegebenem Anlaß“ des Sprengel Museums Hannover. 1999 erfolgt ein Ankauf von Gemälden Strawaldes für die Sammlung des Deutschen Bundestags im Reichstagsgebäude. 2001 wird Strawalde das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

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