Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter
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Haus der Kunst München

Haus der Kunst München, Foto: Jens Weber, München
Haus der Kunst München, Foto: Jens Weber, München
Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter
Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter

Prinzregentenstr. 1
80538 München
Tel.: 089 21127 115
Homepage

Öffnungszeiten:

Mo-So 10.00-20.00 Uhr
Do 10.00-22.00 Uhr

Martin Parr: Parrworld

07.05.2008 - 17.08.2008
Dass Martin Parr, legendäres Mitglied der Fotoagentur Magnum, auch sammelt, ist weitgehend unbekannt. Die Ausstellung "Parrworld" präsentiert seine Sammlungen von Postkarten, Objekten, Fotobüchern und Fotografien und stellt sie einer Auswahl aus seiner eigenen neuen Serie "Luxury" gegenüber. Zusammengenommen ergeben diese Sammlungen eine Art mediale Wunderkammer, ein Psychogramm ihres Urhebers und eine augenzwinkernde Analyse des Mediums Fotografie. "Ich habe ein sehr starkes Sammel-Gen ... Die Krankheit ist früh ausgebrochen. Schon als kleiner Junge richtete ich im Keller unserer Doppelhaushälfte in Chessington, Surrey, ein ganzes Museum ein, mit Ausstellungsstücken wie Gewöllen (Bällen aus Pelz und Knochen, die Raubvögel ausspeien), Fossilien und Vogelnestern. Über die Jahre haben sich dann meine Sammelgewohnheiten verschoben und verfeinert. Ich habe Briefmarken gesammelt, Busfahrkarten, viktorianische Pennies, und - als meine bislang größte Sammlung: Fotobücher." Martin Parr Martin Parrs Faszination für das Banale und seine Vorliebe für die Ausnahme von der Regel, für das Ungewöhnliche und Ausgefallene verleihen seinen Sammlungen ihre individuelle Note. Postkarten: Die Stücke dieser Sammlung können fast ein ganzes Jahrhundert beschreiben. Als die Tageszeitungen technisch noch nicht in der Lage waren, Fotografien zu drucken, gab es bereits eine große Nachfrage nach Bildmaterial, das aktuelle Ereignisse zeigte. Das Interesse an Sensationen führte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach den zuvor praktizierten Verfahren des Holz- und Kupferstiches in der Form der fotografischen Bildkarte zu einer besonders zeitnahen Berichterstattung, die in der schnellen und preiswerten Produktion ihre Grundlage hatte. Eine Auswahl dieser Nachrichtenbilder steht am Anfang dieser Sammlung von Postkarten, die Parr begann, vor dreißig Jahren zusammen zu stellen. Weitere Schwerpunkte bilden Studioporträts, die Produktionen der Fotografen Warner Gothard und John Hinde, Ferienpostkarten und Kuriosa wie "Boring Postcards", die Autobahnen, Plattenbauten und Interieurs zeigen. Die Sammlung belegt die wechselnden Gebrauchsweisen dieses einfachen, preiswerten und populären Kommunikationsmittels. Die Postkarten präsentieren ihre Motive in verdichteter Form als ein Ideal, das natürlich eine Konstruktion des jeweiligen Fotografen ist. Objekte: In dieser Sammlung vereinen sich Gegenstände unterschiedlichen Charakters. Hier stehen u.a. Objekte der sowjetischen Sputnik-Ära, der Regierungszeit Maggie Thatchers, der Popband Spice Girls, der Anschläge von 9/11 für Ereignisse, die auch aufgrund ihrer medialen Vermittlung - in der die Fotografie eine wesentliche Rolle spielt - das kollektive Gedächtnis geprägt haben. Kein Alltagsobjekt oder Kuriosum, das nicht von Parr auf seine Bedeutung als mögliches Symbol des Zeitgeistes untersucht wird. Objekte aus verschiedenen Quellen werden von ihm thematisch arrangiert und erhalten so eine neue Lesart: "Gegenstände, die vergänglich sind, ziehen mich sehr an. Ihre Bedeutung und ihr kultureller Kontext wandeln sich mit dem Lauf der Welt. Viele dieser Objekte sind mit Personen oder Ereignissen gekoppelt, die im Glanz einer bestimmten Zeit, eines bestimmten Ortes gefangen sind. Wenn dieser Glanz verlischt, fällt sein Nachschein auf das Objekt; er ist die treibende Kraft dieser Sammlung." Fotografiebücher: Um das Medium Fotografie und um das gedruckte Bild geht es auch bei Parrs einzigartiger Sammlung nationaler und internationaler Fotografiebücher. Die Sammlung zeigt die Geschichte des Fotobuchs anhand einer Auswahl besonders wichtiger oder interessant gestalteter Publikationen, von Ikonen der Buchkunst bis zu Publikationen unbekannter Verlage. Alle Anwendungsbereiche der Fotografie werden präsentiert: von der Werbung über die Propaganda, der Auftragsfotografie bis zur künstlerischen Äußerung im selbst gestalteten Buch. Nachdem Parr zusammen mit Garry Badger 2004 und 2006 die beiden Bände "The Photobook - A History" herausgebracht hat, sind Fotografiebücher zum begehrten Sammelobjekt geworden. In diesem Bereich werden auch Book-Dummies, von den Fotografen angefertigte Buchentwürfe ihrer Publikationen, gemeinsam mit einigen Originalfotografien gezeigt. Fotografische Sammlungen: Parrs Interesse an gesellschaftlichen Themen spiegelt sich auch in seinen fotografischen Sammlungen wider, die in einen britischen und internationalen Teil aufgeteilt präsentiert werden. Der erste Teil bildet die umfangreichste Privatsammlung, die zur Zeit in Großbritannien besteht. Aus ihr wird eine Auswahl sozialdokumentarischer Positionen von u.a. Tony Ray-Jones, Chris Killip und Graham Smith aus den 70er- und 80er-Jahren zu sehen sein. Die aktuelle zeitgenössische britische Fotografie ist u.a. durch Keith Arnatt, Mark Neville, Jem Southam oder Tom Wood vertreten. Der internationale Teil dieser Sammlung wird repräsentiert durch Fotografen, die Parr beeinflusst haben oder zu denen er eine persönliche Beziehung entwickelt hat: Bilder von Klassikern wie Robert Frank, Garry Winogrand oder William Eggleston stehen Aufnahmen von Freunden wie John Gossage oder Gilles Peress gegenüber. In Deutschland einer breiten Öffentlichkeit unbekannte japanische Fotografen wie Osamu Kanemura, Kohei Yoshiyuki oder Rinko Kawauchi bilden einen weiteren Schwerpunkt. Luxury: Für seine neue Serie "Luxury" hat Martin Parr an internationalen Orten wie Dubai, Durban oder Moskau Modenschauen, Kunst- und Luxusmessen, Pferderennen sowie in München beim Oktoberfest fotografiert. Bescheidenheit ist nicht unbedingt eine ausgeprägte Charaktereigenschaft der Vertreter eines internationalen Jetsets, die stolz die Insignien neuen Geldes und äußerlichen Wachstums präsentieren. Konsequent wendet sich Parr nach seinen früheren Projekten über die Arbeiter- und Mittelklasse mit den Mitteln der Groteske nun dem Phänomen einer neuen internationalen Upperclass zu. Dabei ist seine Fotografie kein Beispiel der "lachenden Kamera", sie macht sich nicht lustig auf Kosten anderer. Wenn der Regisseur Wim Wenders sagt, dass jede Kamera immer in zwei Richtungen fotografiere, dann trifft das auf die Arbeit von Martin Parr ganz besonders zu und ist Teil der Glaubwürdigkeit seiner Arbeit. Der Fotograf selbst betont, dass man seine Arbeit als zeitgenössisches Gesellschaftsbild, aber auch als Selbstporträt verstehen kann.

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