Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter
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Haus der Kunst München

Haus der Kunst München, Foto: Jens Weber, München
Haus der Kunst München, Foto: Jens Weber, München
Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter
Haus der Kunst München, Foto: Maximilian Geuter

Prinzregentenstr. 1
80538 München
Tel.: 089 21127 115
Homepage

Öffnungszeiten:

Mo-So 10.00-20.00 Uhr
Do 10.00-22.00 Uhr

David Adjaye: Form, Gewicht, Material

30.01.2015 - 31.05.2015

Das Haus der Kunst widmet David Adjaye ab Ende Januar eine große Überblicksausstellung. Sein breites Spektrum namhafter Projekte, das von Häusern und Bibliotheken bis zu Museen und umfangreichen urbanen Gesamtkonzepten reicht, macht David Adjaye zu einem bedeutenden Architekten unserer Zeit. Statt veralteten Traditionen zu folgen, bemüht er sich darum, architektonische Motive und kulturelle Normen des jeweiligen Schauplatzes neu zu interpretieren und somit Projekte zu entwickeln, mit denen er gesellschaftliche Muster und Verhaltensweisen aufdeckt und überdenkt. Das Ergebnis sind raffinierte Schöpfungen, jede einzelne ein Ausdruck der heutigen Zeit und ihrer Anliegen.
Die Ausstellung findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt in Adjayes Karriere statt: Das von Adjaye entworfene Smithsonian National Museum of African American History and Culture (NMAAHC), ein historisch bedeutsames und ikonenartiges Gebäude, wird 2016 eröffnet und erhält bereits jetzt hohe Aufmerksamkeit. Im NMAAHC kulminiert ein jahrzehntelanger Kampf um die Anerkennung der Bedeutung der black community innerhalb des sozialen Gefüges von Amerika. Das Museum steht an der Ecke zwischen National Mall und Ellipse, der Grünanlage vor dem Weißen Haus, und überblickt das Washington Monument. Die Kronenform des Dachkranzes steigt dreistufig an. Sie besteht aus drei inversen Pyramiden und bezieht sich auf eine Skulptur des yorubischen Bildhauers Olowe von Ise, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig war. Politische und finanzielle Ressourcen haben dieses lang ersehnte Symbol für den Beitrag der Afroamerikaner zur Geschichte und Identität der Nation ermöglicht.
Die Ausstellung erforscht den facettenreichen Ansatz von David Adjaye. Ein reizvolles Ausstellungsdesign sieht begehbare Installationen, sowie Zeichnungen, Modelle, Skizzen, Filme und große Projektfragmente vor. Die auffallende Textur und die formalen Qualitäten von Adjayes Arbeit werden herausgestellt und es wird deutlich, wie er ein Projekt von der Konzeption bis zur Umsetzung entwickelt. Adjaye hat sich immer wieder von bildender Kunst inspirieren lassen. Er versteht seine Bauwerke als Objekte, die ihre Bewohner willkommen heißen und sich den verfügbaren Raum mit ihnen teilen.
Neben seiner praktischen Arbeit als Architekt ist Adjaye ein anerkannter Experte für Architektur und Urbanismus in Afrika. Die Ergebnisse seiner Feldstudien wurden in mehreren wichtigen Büchern publiziert; z.B. hat er die Verschiedenheit von Lebens- und Identitätsentwürfen in seinem 2011 erschienenen Buch über Architektur und Urbanismus, "African Metropolitan Architecture", systematisch untersucht. Dieses Forschungsmaterial ist ebenfalls Teil der Ausstellung. Es trägt zum Verständnis von Adjayes eigener Arbeit ebenso bei wie zum Verständnis der komplexen, noch wenig bekannten Geschichte innovativer Architektur in Afrika.
Den Gebäuden von David Adjaye - Museen, Galerien, Universitätsgebäuden und Bibliotheken - ist die Fähigkeit zu eigen, bei den Nutzern den Sinn für Gemeinschaft zu entwickeln. Sie fördern ein Verständnis von Begegnung im öffentlichen Raum, lösen Barrieren auf und stärken die Durchlässigkeit, beherbergen ganz Unterschiedliches und inspirieren dazu, Raum mit neuem Verständnis zu besetzen. Die frühesten Gebäude waren private Aufträge und entstanden oft in Zusammenarbeit mit Künstlerfreunden: so bei den Wohnhäusern und Studios, die er für Chris Ofili, Tim Noble und Sue Webster, Dinos Chapman, Lorna Simpson und James Casebere gestaltet hat. Sie spielen mit dem Kontrast zwischen hermetisch verschlossener Front und unerwartet großzügiger Öffnung zur Rückseite hin. So zeigt das Elektra House in London zur Straße hin eine geschlossene Ansicht, die wie ein aus Holztafeln zusammengesetztes abstraktes Gemälde wirkt. Das Innere dieses Hauses empfängt sein gesamtes Licht über die Rückseite und durch Öffnungen nach oben. Überraschenderweise fängt es gerade auf diese Weise maximal viel Tageslicht ein.
Die Eingangsseite des 2007 eröffneten Stephen Lawrence Centre bildet das genaue Gegenteil zur verschlossenen Ansicht von Elektra. Sie will lichtdurchlässig sein und ist mit einem verschachtelten Muster überzogen. Über eine durchbrochene Metallfassade fällt das Licht ins Innere und wirft bei Sonnenschein abstrakte Muster auf Wände und Boden, die an die gesprenkelten Lichteffekte auf Wasseroberflächen denken lassen. Das Gebäude ist dem Gedenken an einen schwarzen Teenager gewidmet, der 1993 einem rassistisch motivierten Attentat zum Opfer fiel. Es beherbergt Medien-, Klassen- und Meeting-Räume - eine Infrastruktur die geeignet ist, vom Erziehungs- und Sozialsystem benachteiligte Jugendliche zu unterstützen. Das Stephen Lawrence Centre verzichtet auf reinen Funktionalismus und ikonenartige Monumentalität und empfängt seine Benutzer mit einladender Geste, statt sie zu bevormunden. Das Beispiel zeigt, wie gesellschaftlich wirksame Architektur gelingen kann. Diese Ausrichtung und Qualitäten haben David Adjaye Aufträge wie die Moscow School of Management Skolkovo (2006-10) und das National Museum of African American History and Culture in Washington (2009-16) eingetragen.
Ein weiteres zentrales Anliegen von David Adjaye ist, angemessen auf die geografischen und klimatischen Gegebenheiten des jeweiligen Umfelds zu reagieren. Deutlich wird dies erneut in der Art der Lichtführung, aber auch der Fassadengestaltung. In Ländern mit gemäßigtem Klima wie Mittel- und Nordeuropa leitet Adjaye das Licht oft ungefiltert von oben ins Innere. In Ländern, in denen Sonneneinstrahlung unerwünscht ist, schützt er den Bewohner mit Doppelmembranen vor direktem Lichteinfall. Die Materialien, die Adjaye einsetzt, wechseln ihre Farbe je nach Sonnenstand, und zeigen je nach Tages- und Jahreszeit unterschiedliche Qualitäten. Seine Lösungen sind für den jeweiligen geografischen und klimatischen, historischen und gesellschaftlichen Kontext entwickelt. Dabei kann David Adjaye nicht nur auf Erfahrung, intensive Recherche und seinen kosmopolitischen Hintergrund zurückgreifen; er unterhält mittlerweile auch Büros in vier verschiedenen Kontinenten und arbeitet mit einem Forschungsteam von Sozialwissenschaftlern.
"Form, Gewicht, Material" stellt insgesamt mehr als 45 Projekte seit dem Jahr der Gründung von Adjaye Associates (2000) vor, sowohl fertig gestellte als auch derzeit noch laufende. Die Ausstellung gliedert sich in sechs Abschnitte: Zeichnungen und gesammeltes Inspirationsmaterial; die kleinformatigen Monumente wie der begehbare Pavillon "Horizon", die Monoforms und Möbel; Wohnräume wie Elektra House und Dirty House, Seven und Silverlight; Demokratie des Wissens, darunter öffentliche Gebäude (Idea Store, Stephen Lawrence Centre, Cape Coast Slavery Museum); Gebäude im öffentlichen Raum mit soziopolitischer Funktion wie die Moscow School of Management, Sugar Hill (Wohnungen für sog. sozial schwache Mieter); Städtebauliches und Masterpläne; und schließlich Forschung zur Architektur in afrikanischen Metropolen. In der Ausstellung wird außerdem ein neuer Dokumentarfilm von Oliver Hardt gezeigt ("David Adjaye - Collaborations").

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