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Badischer Kunstverein


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Stephen Willats: Counterconsciousness

24.09.2010 - 21.11.2010
Der Badische Kunstverein freut sich, den Londoner Künstler Stephen Willats (*1943) in einer umfangreichen Ausstellung zu zeigen. Von den 1960er Jahren bis heute hat Willats eine wegweisende Praxis entwickelt, die auf Kollaboration, Interaktivität und Partizipation innerhalb der Variablen der sozialen Beziehungen und Einstellungen basiert. Willats schafft multi-sensorische, multi-dimensionale Umgebungen, um die Betrachter zu bestärken, sich mit ihren eigenen kreativen und kognitiven Prozessen zu beschäftigen, und so die Art und Weise, wie sie die gegebene Realität wahrnehmen, zu überprüfen und zu transformieren. Schwerpunkt der über 40 Arbeiten umfassenden und über alle Stockwerke des Badischen Kunstvereins reichenden Präsentation liegt auf WillatsÂ’ Werken zur Post-Punk-, Night-, und Wasteland-Szene aus den 1980er Jahren. Einige der gezeigten Arbeiten waren bisher selten oder nie zu sehen und wurden in einem gemeinsamen Prozess mit dem Künstler ausgewählt. Die Bandbreite der Arbeiten reicht von Foto-, Text- und Objektcollagen über Diagramme bis hin zu raumgreifenden Installationen. Der Textproduktion als wichtigen Bestandteil in WillatsÂ’ Arbeiten ist ein eigener Raum gewidmet, in dem wegweisende Bücher und Texte des Künstlers sowie Exemplare des von ihm seit 1965 herausgegebenen Magazins Control ausgelegt sind. Ergänzt wird die Ausstellung durch dokumentarisches Audio- und Filmmaterial, das im Kontext seiner Projekte entstanden ist. Im Zentrum von WillatsÂ’ Arbeiten steht die Untersuchung von Prozessen der Kommunikation, Netzwerkbildung und Selbstorganisation. Die Einflüsse für seine interaktiven und partizipativen Projekte lokalisieren sich an der Schnittstelle von Kunst und anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Kybernetik, Computertechnologie, der Verhaltens- und Lerntheorie. In Anlehnung an die Methoden dieser Disziplinen entwickelt Willats eine spezifische Bild- und Zeichensprache, die verschiedene Systeme sozialer Interaktion analysiert und veranschaulicht. Die Beziehung von Menschen untereinander, zu ihrer privaten wie beruflichen Lebenswelt oder zur Architektur der sie umschließenden Wohnbauten wird von Willats in enger Zusammenarbeit mit den Protagonisten seiner Arbeiten untersucht und anschließend im Ausstellungsraum vorgestellt. Dabei konkretisieren sich parallele oder „symbolische Welten“, die sich jenseits von institutioneller Planung und Organisation ausbilden: Wohnsiedlungen, Bürogebäude, Shopping Center oder Schrebergärten sind die Orte, an denen Willats die Möglichkeiten eines individuellen Ausdrucks definiert. Ein besonderes Interesse des Künstlers gilt den „counter-cultures“, den Gegenkulturen zum offiziellen System – wie der Post-Punk-Szene der konservativen Thatcher-Ära, den Nachtgestalten in London oder den Besetzern verschiedener Brachflächen. Die bislang noch wenig bekannten Arbeiten, die in diesem Kontext verschiedener Gegenentwürfe entstanden sind, eröffnen eine neue und aktuelle Perspektive auf die Arbeitsweise des Künstlers, die sich weniger durch die von ihm bekannte Ordnung und Präzision, als vielmehr durch einen expressiven Umgang mit verschiedenen Farben, Objekten und Materialien auszeichnet. Im Vordergrund steht dabei die Technik der Collage: Fotos werden mit Texten und gefundenen Objekten kombiniert, im Hintergrund von Farbflächen gerahmt oder entwickeln sich – wie bei Living Like A Goya oder Secret Prima Donna – skulptural von der Fläche in den Raum. Ein immer wieder auftauchendes Bildzitat ist die hoch aufragende Fassade modernistischer Hochhausarchitektur, die für Willats das restriktive Gegenbild zu den kollektiven und individuellen Bedürfnissen ihrer Bewohner darstellt. So sind die Biografien der Punks oder „Glue Sniffers“ häufig mit ihrer Lebenswirklichkeit in den Wohnblocks verbunden, von der aus sie ihre „Reisen“ in die Parallelwelt der Clubs und Brachflächen starten. In der Arbeit A Difficult Boy in A Concrete Block wird das Beton als Material sogar direkt in die Wandinstallation einbezogen. Ehemals Ikone der Zukunft sind die Hochhäuser nun Inbegriff von Ghettoisierung und Isolation, die aber eben neue Prozesse der Transformation anstoßen. In WillatsÂ’ Arbeiten zum Phänomen des Doppelgängers wird die Architektur beispielsweise zur Kulisse für eine tagtägliche Verwandlung von nüchternen Büroangestellten zu exzentrischen Nachtgestalten. Neben den in COUNTERCONSCIOUSNESS erstmalig versammelten Night- und Wasteland Drawings zeigt der Kunstverein weitere richtungsweisende Arbeiten aus dieser Zeit wie From The Day Into The Night And From The Night Into The Day, Model Dwellings oder Taboo Housing Estate zur Nacht- und Post-Punk-Kultur sowie Four Pressures, Four Freedoms; Two Worlds. Camps oder It Was Somewhere Where We Could All Go zu den Wastelands. Stephen Willats war während der 1960er und 1970er Jahre einer der wichtigsten Vertreter der internationalen Konzeptkunst in England. In den 1960er Jahren gründete er das Magazin Control, das er seitdem herausgibt. Von 1972 bis 1973 war Willats Direktor des Centre of Behavioural Art, Gallery House, London. Von 1979 bis 1980 war er DAAD Künstler-Stipendiat in West-Berlin. Einzelausstellungen (Auswahl): Assumptions and Presumptions, Art on the Underground, London (2007); Person to Person, People to People, Milton Keynes Gallery (2007); Wie die Welt ist und wie sie sein könnte, Museum für Gegenwartskunst, Siegen (2006); Changing Everything, South London Art Gallery, (1998); Meta Filter and Related Works, Tate Gallery London, (1982); 4 Inseln, in Berlin, National Gallery, Berlin, (1980) und Concerning our Present Way of Living, Whitechapel Art Gallery, London (1979).

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