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KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Antikensammlung in der Kunsthalle zu Kiel


Düsternbrooker Weg 1
24105 Kiel
Tel.: 0431 597 37 58
Homepage

Öffnungszeiten:

Di, Do, Fr 10.00-18.00 Uhr
Mi 10.00-20.00 Uhr
Sa-So 10.30-18.00 Uhr

Heavy Metal. Die unerklärbare Leichtigkeit eines Materials

07.12.2008 - 22.03.2009
Heavy Metal. Die unerklärbare Leichtigkeit eines Materials“ – Die groß angelegte Ausstellung in der Kunsthalle zu Kiel, die am 7. Dezember eröffnet, ist eine Hommage an die Schwerkraft der Skulptur und ihre schöpferische Überwindung. Im Mittelpunkt der 58 Schlüsselpositionen umfassenden Schau steht das Material: das schwere Metall. Museumsdirektor Dr. Dirk Luckow gelang es, internationale Großplastiken unter sein Museumsdach zu holen. Künstlerische Schwergewichte ziehen in den filigran wirkenden Museumsbau aus dem 20. Jahrhundert ein: Der 2,65 m Durchmesser große und 800 kg schwere Edelstahlspiegel des indischen Bildhauers Anish Kapoors, die berühmte Textilplasik „Soft Version of the Maquette for a Monument by Pablo Picasso“ (1969) von Claes Oldenburg aus dem Centre Pompidou, eine 4,28 x 4,20 Meter große Aluminiumplastik von Robert Morris (USA) aus dem Musée dÂ’art moderne Saint-Etienne, Richard Serras „Sign Board Prop“ (1969) und das „Wolkenauto“ (1978) von Geoffrey Hendricks – sie alle stellen die musealen Bedingungen ebenso auf die Probe wie die 500 Kilo schwere Bronze „Top 10 profiles of the urban male” (2007) des chinesischen Künstlers Wang Du, die Einladungskarte und Plakat ziert. Die Künstlerliste rechtfertigt mehr als einen Besuch in der bis 22. März laufenden Ausstellung, denn so nah waren sich – mit Giovanni Anselmo, Joseph Beuys, Bill Bollinger, Carol Bove, Martin Boyce, Candice Breitz, Luis Camnitzer, Anthony Caro, César, John Chamberlain, Lygia Clark, Constant, Richard Deacon, Jürgen Drescher, Wang Du, Marcel Duchamp, Aleana Egan, Olafur Elisasson, Hans-Peter Feldmann, Lucio Fontana, Günther Förg, Julio González, Antony Gormley, Subodh Gupta, Mona Hatoum, Geoffrey Hendricks, Jörg Immendorff, Jasper Johns, Donald Judd, Anish Kapoor, Stefan Kern, Alexander Laner, Bertrand Lavier, Mark Leckey, Heinz Mack, Mark Manders, Kris Martin, Jonathan Monk, Robert Morris, Bruce Nauman, Tim Noble & Sue Webster, Claes Oldenburg, Lygia Pape, Thomas Rentmeister, Michael Sailstorfer, Thomas Schütte, Richard Serra, Steven Shearer, Monika Sosnowska, Frank Stella, Cho Sung-Hyung, Jean Tinguely, Tatiana Trouvé, Günther Uecker, Henk Visch, Sonja Vordermaier und Thomas Zipp – die Klassiker und Gegenwartskünstler seltenerorts. Die weitgehend sockellose Ausstellung lädt zum Flanieren und Staunen ein, nimmt die skulpturalen Erneuerungen anhand von 58 Schlüsselpositionen der vergangenen 50 Jahre in den Blick und zeigt, wie das schwere Material leicht, eigenwillig und subversiv wurde. Die Beschränkung auf „ein“ Material als spezifisches Medium künstlerischer Arbeit ermöglicht es, die Denkmuster zeitgenössischer Skulptur in ihrer epochalen Qualität und Vielfalt zu verdeutlichen. „Heavy Metall“ steht dabei nicht nur für das Material Metall, sondern auch symbolisch für eine Irritation in der Welt des Betrachters. Dr. Dirk Luckow erklärt: „Obwohl die Gattung Skulptur in den 1960er Jahren totgesagt war, wagen wir mit „Heavy Metal“ einen frischen Blick auf die Avantgarde anhand des scheinbar konservativen Genre der Metallskulptur. Unter dieser strengen Prämisse ist eine Ausstellung entstanden, die eine besondere Atmosphäre entwickelt, die in der haptischen und visuellen Auseinandersetzung ihre tiefe Schönheit preisgibt.“ „Die Einzigartigkeit des Ausstellungsprojektes besteht – gerade auch aus der Sicht der Wissenschaft – darin, einen materialgeschichtlichen Leitfaden zu haben. Ohne die großzügige Förderung der NORDMETALL-Stiftung wäre dieses schwergewichtige Projekt nicht möglich gewesen.“, dankt Dr. Dirk Luckow dem Förderer. Dr. Marc Gottschald, Geschäftsführer der NORDMETALL-Stiftung beschreibt den Weg zu diesem herausragenden Förderprojekt: „Ein lebendiger und tiefgehender Dialog über unseren Werkstoff - das Metall - liegt hinter uns. Anfangs dachten wir, wir wüssten schon viel darüber. Aber in den Skulpturen tritt uns das Metall fremd- und neuartig und geheimnisvoll entgegen.“ Als Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie in Norddeutschland sei es spannend, das Material, mit dem die Unternehmen täglich arbeiten, jetzt als Objekt der Kunst zu erleben, so Gottschald. Die Ausstellung setzt in den 1960er Jahren ein: Die revolutionären Avantgarden in den Kunstzentren von Europa, den USA und Lateinamerika formulieren radikale Ansprüche an die künstlerische Freiheit. Auch die moderne Skulptur steht auf den Prüfstand. Die Skulptur gerät in einen Strudel post-fluxushafter Auflösungserscheinungen, bis sie im Konzept des „Life-in-your-Heads“ ganz zu verschwinden drohte. Doch dann passiert das Paradoxe: Die Skulptur wird zu einem neuen, aufnahmefähigen Ausgangspunkt der künstlerischen Denkens. Auf der Suche nach einem widerständigen Medium erhält das Metall in all seinen unterschiedlichen Legierungen eine unerwartete Aufwertung. Was ist Leichtigkeit, was ist Schwere? Die Objekte der Ausstellung weichen diesen Fragen aus und münzen Gewichtsverlagerungen in subtile Konzepte um. So lenkt Richard Serra in seiner Blei-Plastik „Sign Board Prof“ (1969) die Aufmerksamkeit auf prekäre Balancen, die in der gegenseitigen Stabilisierung der Gewichte nur einen idealen Auflagepunkt kennen und den Besucher durch ihre offenkundige Labilität irritieren. Geoffrey Hendricks verwandelt den tonnenschweren VW Käfer in einen luftigen, himmelblauen „Sky Car“ und weckt Erinnerung an erhebende Gefühle jugendlicher Mobilität. Die „Großen Geister Nr. 6“ von Thomas Schütte greifen leichterhands nach den Sternen. John Chamberlains „Straits of Night“ (1992, Sammlung Versicherung Winterthur) verbergen ihre Gewichte hinter der malerischen Qualität des gepressten Metallschrotts und Claes Oldenburgs Skulptur „Soft Version of the Maquette for a Monument by Pablo Picasso“ (1969) täuscht die Sinne, indem er braun gefärbtes Textil wie rostiges Metall erscheinen lässt. Doch die Ausstellung liefert auch Beispiele für die Umkehrung dieses Prinzips: Etwa wenn Stefan Kern Plastiktüten in Metall verwandelt, Jürgen Drescher seinen „Karton (freistehend VII)“ metallisch für die Ewigkeit fixiert, Joseph Beuys, den Kunstbegriff erweiternd, eine Postkarte in Magnetstahl gießt oder Jonathan Monk mit „Fifteen Piece Puzzle“ (2007) die Gewichtsverhältnisse umkehrend einen Ort schafft, an dem Größen- und Gewichtsverhältnisse durcheinander geraten sind. Der aufwändige, von dem Frankfurter Designbüro Ade Hauser Lacour produzierte Katalog, ordnet die internationalen Exponate denn auch nach Gewicht und beginnt mit dem Super-Schwergewicht Anish Kapoor, führt über Halb-, Super-Mittel-Schwergewichte und endet mit den Papiergewichten in Form der leichten und schwebenden Aluminiumscheiben von Lygia Pape. Für das Fachpublikum ist diese Ausstellung eine Fundgrube für eine neuerliche Definition des plastischen Prinzips und der Frage nach der Bedeutung der Skulptur heute. Der Kunst-Experte wird mit hintergründigen Anspielungen auf die Ikonen der Kunstgeschichte wie das Jeff-Koons-Häschen in der Videoinstallation „Made in Heaven“ (2004) von Mark Leckey belohnt. Denn die Klassiker der Moderne wie der „Flaschentrockner“ (Original 1914) von Marcel Duchamp, aber auch Jasper Johns, Donald Judd und Bruce Nauman erfahren durch das Wiedersehen in der Ausstellung eine verjüngende Aktualität. Auf der Suche nach Symbolen der Leichtigkeit findet der Besucher Installationen von großer Raffinesse wie „The Spikey Thing“ (2005) von Tim Noble und Sue Webster, die aus einem Metallgewirr die Silhouette einer männlichen wie weiblichen Figur herausprojizieren; oder den unergründlichen Schmalzgebäckkringel von Olafur Eliasson „Endless Doughnut“ (2001) aus Edelstahl, der die im Metall wirksamen Kräfte sichtbar macht, um sie in eine unendliche Schleife der Wahrnehmung zu überführen. Der Betrachter kann Beispiele minimalistischer Vereinfachung wie den „Handlauf“ von Monika Sosnowska entdecken; oder sich berühren lassen von Carol Boves aufwändiger Rauminstallation aus 475 Bronzestäben, mit der sie den Sternenhimmel „The night sky over New York/ October 21, 2007 at 9 pm“ am Geburtstag ihrer New Yorker Galeristin Michele Maccarone nach Kiel holt. Sie schafft damit eine Raumplastik, die nicht nur auf die physische Anwesenheit des Betrachters reagiert, sondern Möglichkeiten eröffnet, sich fortzuträumen. Es gibt aber auch genügend Stoff zum Philosophieren – etwa über die kryptische Inschrift „Geist ohne Körper“ auf der Totenkopf-Glocke von Thomas Zipp, darüber, ob die zeitgenössische Skulptur eher auf dem Stand- oder eher auf dem Spielbein steht, ob das Physische oder das Spirituelle dominiert oder welche Strategien die jungen Künstler heute verfolgen, um Schwebezustände zu erzeugen und inwiefern dies alles mit dem Aufbruch der Avantgarde in den 1960er Jahren zusammenhängt. Doch die Kieler Ausstellung zeigt nicht nur Skulpturen, sondern spielt mit den unerschöpflichen Möglichkeiten des Materials auch auf der kuratorischen Ebene: Der Titel „Heavy Metal“ ist in Anlehnung an die monumentale Fotografie „Iron Maiden Monument“ (2007) von Candice Breitz entstanden. Unausweichlich daher: der Heavy-Metal-Kult-Film „Full Metal Village“ (2006) der südkoreanischen Künstlerin Cho Sung-Hyung, der das Wacken-Festival dokumentiert; und das malerische Bekenntnis „Ich denke auch an Metall“ (1978) von Jörg Immendorff. Die Filme im Rahmenprogramm - „Full Metal Jacket“ von Stanley Kubrick und „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ nach dem Roman von Milan Kundera – schaffen für den Besucher eine Brücke in das Lebensgefühl der 1960er Jahre. Neu im Programm: die Reihe „Künstler führen durch die Ausstellung“ mit Sonja Vordermaier und Henk Visch, eine Anforderung an das Publikum, selbständig und individuell Weg durch die Ausstellung zu finden.

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