Andy Warhol (1928–1987) gehört zweifellos zu den bekanntesten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind allen anfänglichen Widerständen zum Trotz künstlerisch hoch angesehen und äußerst begehrt. Die Ausstellung seiner bedeutendsten und stringentesten Werkgruppe »Death and Disaster« wird zeigen, dass es dem wiederholt als oberflächlich missverstandenen Künstler gelang, Darstellungen des Todes zu schaffen, die der Ausdruckskraft abendländischer Totentänze in nichts nachstehen. Es sind Bilder von der Tragik und Absurdität des Lebens. In seinen Bildern von Autounfällen und den Rassen- unruhen in den Südstaaten, der Hinrichtungsmaschine »Electric Chair« und dem selbst gewählten Tod zeigt Andy Warhol, dass die schöne Oberfläche der Konsumwelt grausame Schattenseiten birgt. Er stellt sie mit einer kommentarlosen Direktheit zur Schau.
1962/63 begann Andy Warhol, sich mit Katastrophen, Tod und Unglück auseinanderzusetzen. Seine Bilder zum Thema »Death and Disaster« wurden jedoch vor allem in den USA zunächst abgelehnt. Erst 1964 konnte der Künstler Ileana Sonnabend (1914–2007) davon überzeugen, seine neu entstandenen Werke des Unglücks in ihrer Pariser Galerie zu zeigen. In Europa wurden die Bilder positiver aufge- nommen und erhielten von Besuchern der Ausstellung wie auch Kritikern Zustimmung. Das mag damit zu tun haben, dass bildhafte und literarische Formen des Todes in ganz Europa eine jahrhundertealte Tradition haben. So entstanden ab dem 15. Jahrhundert vor allem an Friedhofsmauern, in Kreuzgängen und Kirchen zum Teil kolossale Wandgemälde, die Totentänze als >memento mori< darstellen. Sie zeigen Visionen eines Todes, die über zwei katastrophale Weltkriege im 20. Jahrhundert und die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten bis heute reichen. Andy Warhols »Death and Disaster«-Serie kann man daher auch als eine der ausdrucksstärksten Formen des Totentanzes im 20. Jahrhundert sehen.
Fast alle seiner Todes- und Unglücksbilder thematisieren von Menschen verursachte Tragödien und sind heute noch von brisanter Aktualität. Neben Andy Warhol gab es wohl bisher kaum einen bildenden Künstler, der fähig und willens war, unter dem Vorwand einer verführerischen Oberflächenästhetik und mithilfe der völligen Zurücknahme persönlichen Ausdrucks derart radikale Aussagen zu machen.