Die Idee der Leere existiert in Japan bereits seit dem 12. Jahrhundert. Sie ist anders als im Westen Ausdruck höchster Erkenntnis und Vollkommenheit. In China und Japan wird die Idee der Leere mit der Vorstellung eines Freiseins von Begierden und einer von Spiritualität erfüllten Existenz verbunden. Sie äußert sich auch in einer jahrhundertealten Kultur der Reduktion und des Minimalen.
Frauke Eigen greift in ihren Photographien diese alte Tradition der Schönheit schlichter Formen auf. Ihre zwischen 2006 und 2009 in Tokio entstandenen Schwarzweißaufnahmen zeigen Strukturen und Details aus Wandoberflächen, Fassaden, Baumpflanzungen oder auch den faszinierenden Stoffen von Kimonos. In klassischen Aktdarstellungen macht die Künstlerin die sinnliche Wirkung der Haut als Oberflächenstruktur sichtbar. Der minimalistischen Ästhetik wohnt gleichzeitig eine schwer zu greifende Emotionalität inne. Licht und seine ganz speziellen Erscheinungsformen bilden den Leitfaden für die besonderen Blickwinkel, Orte und Gegenstände, die Frauke Eigen mit ihrer Kamera einfängt.
In ihren Gestaltungsprinzipien folgt die Künstlerin in mehrfacher Hinsicht japanischen Grundsätzen, wie Ulrich Schneider im Katalog schreibt: „So ist ihre Arbeit von einer hochgradigen Materialethik geprägt, die sich auf den eigenhändigen oder peinlichst überwachten fremden Abzug konzentriert. Die Auswahl des Photopapiers und zum Schluss die japanische Technik der Kaschierung mit Reisstärke verwischen die Grenze zwischen Handwerk und Kunst. So gelingt es, die Feinheit von Nuancen zu zeigen, die das Auge am Objekt entdeckt, manchmal wohl nur erahnt hat. Schon bei der Aufnahme und erst recht bei der Entwicklung legt die Photographin den zumeist geringen Bildaus- schnitt fest, und verleitet damit den Betrachter zur Bildvervollständigung. Sie tut das wie der japanische Maler, dem drei Strahlen und die Leere genügen, um die Kühle eines Wasser- falls spüren zu lassen. Und ebenso wartet sie bei der Aufnahme, wie bei der Entwicklung ihrer Photographien, geduldig auf den glücklichen Moment des rechten Lichtes, der die Ausgewogenheit zwischen Schwarz und Weiß auf der Bildfläche hervorruft“.
Frauke Eigen ist 1969 in Aurich geborenen.
Sie hat am Royal College of Art in London studiert und ihr Studium 1996 mit dem Master of Art beendet.
Seit 1997 lebt und arbeitet sie als freischaffende Künstlerin in Berlin.